Obgleich der Gesetzgeber dem Tier im Jahre 1990 mit § 90 a BGB eine eigene Vorschrift widmete, in der er feststellte, dass Tiere keine Sachen seien, werden Tiere im Rahmen der Gesetzgebung oftmals weiterhin wie Sachen „behandelt“.
Das Patientenrechtegesetz (§§ 630 a ff BGB) gilt ausdrücklich nicht für die Behandlung von Tieren
So verhält es sich augenscheinlich auch im Rahmen der Tierarzthaftung, da das Patientenrechtegesetz (§§ 630 a ff BGB) ausdrücklich nur für die Behandlung eines Patienten (= eines Menschen) gilt. In der Gesetzesbegründung wird aber darauf hingewiesen, dass die Tätigkeit eines Tierarztes mit der medizinischen Behandlung durch einen Humanmediziner vergleichbar sei, denn in beiden Fällen handele es sich um die Heilung und Erhaltung eines lebenden Organismus.
Ärzte und Tierärzte behandeln beide „lebende Organismen“
Die Rechtsprechung sei daher nicht gehindert, die im Bereich der Humanmedizin entwickelten Grundsätze zur Beweislastverteilung auch im Bereich der Veterinärmedizin anzuwenden. Während die Rechtsprechung der Oberlandesgerichte dieser Empfehlung größtenteils gefolgt ist, hat nun auch der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) eine solche „Gleichschaltung“ durch Urteil vom 10.05.2016 (VI ZR 247/15) bestätigt.
Für ein besseres Verständnis seien hier zunächst die allgemeinen Grundsätze der Beweislastverteilung im Arzthaftungsrecht erklärt: Überwiegend muss der Patient die Voraussetzungen seines Schadensersatzanspruches darlegen und beweisen. Zu beweisen sind das Vorliegen eines Behandlungsfehlers, der Eintritt eines Schadens beim Patienten, der ursächliche Zusammenhang zwischen Behandlungsfehler und Schaden sowie ein schuldhaftes Handeln des Arztes.
Etwas anderes gilt bei einem groben Behandlungsfehler oder Befunderhebungsfehler: Da bei diesen die Aufklärbarkeit des tatsächlichen Behandlungsgeschehens besonders erschwert ist, wird dem Patienten die Beweislast zu dem vollen Kausalitätsnachweis erlassen. Das heißt konkret: Der Patient muss nicht mehr beweisen, dass der Behandlungsfehler ursächlich für den entstandenen Gesundheitsschaden war. Dieser Kausalitätsnachweis wird vielmehr vermutet – und es bleibt dem Behandler die Möglichkeit, Gegenteiliges zu beweisen (= Beweislastumkehr).
BGH: Grundsätze der Arzthaftung sind auf die Tierarzt-Haftung übertragbar
Diese Grundsätze gelten nun auch bei der Haftung eines Tierarztes. Als Begründung führt der BGH an, die veterinärmedizinische Tätigkeit beziehe sich ebenso wie die humanmedizinische auf einen lebenden Organismus. Zwar sei richtig, dass der behandelnde Tierarzt anders als bei einem Menschen bei einem Tier in weit größerem Maß auf indirekte Rückschlüsse zur Krankheits- bzw. Verletzungsursache und zum Behandlungsverlauf angewiesen ist. Zudem könnten die Haltungsbedingungen sowie das unwillkürliche und – je nach Art des Tieres – nur begrenzt steuerbare Verhalten des Tieres die Behandlung erschweren. Diese Aspekte seien jedoch bereits bei der Frage, ob ein grober Behandlungsfehler – also „ein Fehler, der aus objektiv tierärztlicher Sicht nicht mehr verständlich ist, weil er einem Tierarzt schlechterdings nicht unterlaufen darf“ – vorliege, zu berücksichtigen.
Damit wird die Fehlbehandlung eines Tieres rechtlich nicht mehr der Beschädigung einer Sache / der Beschädigung des Eigentums gleichgestellt.
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