Urteil des OLG Dresden vom 15.06.2021, Az.: 4 U 1786/20 und Urteil des OLG Dresden vom 20.07.2021, Az.: 4 U 2901/19
Der 4. Senat des Oberlandesgerichts Dresden hat sich im vergangenen Jahr mehrfach zu Art und Umfang der ärztlichen Aufklärungspflicht über Nervenschädigungen und deren Folgen im Zusammenhang mit Operationen erklärt:
Eine Nervenschädigung kann, je nach betroffenen Nerv, ein breites Spektrum möglicher Folgen von einer vorübergehenden Schmerzempfindung, einer kurzfristigen Lähmung oder einem Taubheitsgefühl bis hin zu chronischen, unbeherrschbaren Schmerzen oder andauernder Lähmung nach sich ziehen. Der bloße Hinweis auf „Nervenschädigungen“ vermittelt – nach Ansicht des Gerichts – dem Patienten, als medizinischen Laien, daher grundsätzlich keine allgemeine Vorstellung von den mit dem Eingriff verbundenen Gefahren.
Bei Nervenschäden muss über deren spezifische Risiken, die mit der konkreten Operation zusammenhängen, aufgeklärt werden
Daher richtet sich die ärztliche Aufklärungspflicht in Bezug auf Nervenschäden nach den spezifischen Risiken einer Nervenverletzung, die mit dem konkreten Eingriff zusammenhängen und hängt von der Bedeutung ab, die dieses Risiko für die Entschließung des Patienten haben kann.
Ein pauschaler Hinweis auf „Nervenschäden“ reicht in der Regel nicht aus
Besteht bei einer Knieoperation das Risiko einer Verletzung des Nervus Peroneus, ist der Patient daher auch über das Risiko von Lähmungen aufzuklären. Dazu zählt auch die Erwähnung einer dauerhaften Fußheberschwäche wegen einer Verletzung des Nervus Peroneus, vgl. Urteil vom 15.06.2021, Az.: 4 U 1786/20.
Bei einer Leistenbruchoperation ist der Patient darüber aufzuklären, dass durch den Eingriff im Bruchbereich verlaufende Nerven verletzt und dadurch Leistenschmerzen ausgelöst werden können, die in seltenen Fällen andauern können. Es genügt dabei nicht die Erwähnung einer „Hautnervenverletzung“ und es ist auch nicht ausreichend, wenn mündlich erklärt wird, dass „Nerven, die im zu operierenden Bereich liegen, verletzt oder durchtrennt werden können, und dass es zu vorübergehenden und dauernden Ausfällen führen kann“. Es fehle dann an dem Hinweis auf die mögliche Schmerzhaftigkeit der Nervenläsion.
Chronische Schmerzen nach Nervenschädigungen müssen erwähnt werden, wenn Schmerzsyndrome nach bestimmten Operationen keine Seltenheit sind
Zwar habe eine Aufklärung nur im „Großen und Ganzen“ über Chancen und Risiken der Behandlung zu erfolgen. Gleichwohl hätte im Aufklärungsgespräch ein ausdrücklicher Hinweis auf chronische Schmerzen nach derartigen Operationen und auf den Zusammenhang mit der Verletzung von Nerven erfolgen müssen. Insbesondere wenn Schmerzsyndrome nach bestimmten operativen Eingriffen keine Seltenheit seien, müsse auf diese hingewiesen werden.
Soweit Aufklärungsfehler festgestellt werden können, führt dies nicht automatisch zu einer Haftung der behandelnden Ärzte/innen. Genügt die ärztliche Aufklärung nicht den an sie zu stellenden Anforderungen, können sich die Behandelnden darauf berufen, dass der Patient auch im Fall einer ordnungsgemäßen Aufklärung in die Maßnahme eingewilligt hätte. Ein solcher Einwand der hypothetischen Einwilligung greift jedoch nicht, wenn der Patient zur Überzeugung des Gerichts plausibel machen kann, dass er – wären ihm rechtzeitig die Risiken des Eingriffs verdeutlicht worden – vor einem echten Entscheidungskonflikt gestanden hätte.
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