BGH, Urteil vom 19.02.2019, VI ZR 505/17
Der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat sich in seinem aktuellen Urteil vom 19.02.2019 ausführlich zu den Anforderungen an die jeweiligen Darlegungslasten von Patient und Behandlungsseite bei der Rüge von Hygienemängeln geäußert.
Im Streitfall wurde bei der Klägerin 10 Tage nach der operativen Entfernung ihrer Gebärmutter sowie Teilresektion einer Schamlippe (Labienkorrektur) aufgrund starker vaginaler Blutungen eine Revisionsoperation durchgeführt. Nach Öffnung der Bauchhöhle fand sich ein entzündliches Geschehen mit Verwachsungen im Unterbauch. Eierstock, Eileiter und Blinddarm mussten entfernt werden. Zudem zeigte sich eine Infektion mit einem Darmbakterium (Enterococcus faecalis). Die Klägerin sah die Ursache ihrer infektiösen Entzündung in Hygienemängeln in ihrem Krankenzimmer; ihre Mitpatientin habe im Zimmer die Wände mit Kot beschmiert und in der Dusche sei Schimmel vorhanden gewesen.
Der VI. Zivilsenat hielt diesen Vortrag für ausreichend, um die sog. erweiterte – sekundäre – Darlegungslast der Behandlungsseite im Arzthaftungsprozess auszulösen.
Behauptet der Patient einen nachvollziehbaren Hygieneverstoß, so wird die erweiterte sekundäre Darlegungslast der Behandlungsseite ausgelöst
Die sekundäre Darlegungslast der Behandlungsseite werde immer dann ausgelöst, wenn der Patient einen Konfliktstoff primär nachvollziehbar dargelegt habe, dieser die Vermutung eines fehlerhaften Verhaltens der Behandlungsseite gestatte und es der Behandlungsseite sodann möglich und zumutbar sei, den Sachverhalt näher aufzuklären.
Letzteres sei bei der Behauptung eines Hygieneverstoßes regelmäßig der Fall.
Denn der Patient habe keinen konkreten Einblick in die möglichen Infektionsquellen – etwa in Gestalt weiterer Patienten oder verunreinigter Instrumente – noch in die Maßnahmen, welche die Behandlungsseite im Allgemeinen und im Besonderen (bei Vorliegen konkreter Gefahrenquellen) zur Einhaltung der Hygienebestimmungen und zur Infektionsprävention unternommen habe. Demgegenüber verfüge die Behandlungsseite ohne weiteres über die entsprechenden Informationen.
Es genügt, wenn das Vorbringen des beweisbelasteten Patienten die Vermutung eines Hygienefehlers der Behandlungsseite aufgrund der Folgen für ihn gestattet
Der Vortrag der Klägerin im Streitfall, sie habe sich die bakterielle Infektion aufgrund unterdurchschnittlicher hygienischer Zustände in ihrem Krankenzimmer zugezogen, reiche aus, um eine sekundäre Darlegungslast des beklagten Krankenhausträgers auszulösen. Es obliege nun dem beklagten Krankenhausträger, konkret zu den von ihm ergriffenen Maßnahmen zur Sicherstellung der Hygiene und zum Infektionsschutz im Krankenzimmer vorzutragen, etwa durch Vorlage von Desinfektions- und Reinigungsplänen sowie der einschlägigen Hausanordnungen und Bestimmungen des Hygieneplans.
Allein die Behandlungsseite kann konkret zu den – von ihr veranlassten – Maßnahmen zur Sicherstellung der Hygiene und zum Infektionsschutz im Krankenzimmer vortragen
Diese Entscheidung wird nachhaltigen Einfluss auf die Sorgfaltsmaßstäbe haben, die die Krankenhausträger zur Einhaltung von Hygienebestimmungen und zur Infektionsprävention betreiben – was aus Sicht der Patienten zu begrüßen ist.
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